In der Adventszeit werden viele Gewürze wieder aus der hintersten Ecke des Küchenregals hervorgeholt, um Plätzchen, Früchtebrot und Gebäck herzustellen. Kaum eine*r weiß bis heute, dass Gewürze in Indien als Medizin verwendet werden, da sie einzigartige Wirkstoffe enthalten, die zunehmend wissenschaftlich erforscht werden. Noch weniger ist bekannt, dass viele Gewürze gleichzeitig eine die Psyche und das Immunsystem stärkende Wirkung aufweisen.
Aufmerksam auf diese kombinierte Wirkung bin ich durch die Heilpflanzenstudien im Zusammenhang mit COVID-19 geworden. Dort werden zur Zeit einige Kräuter untersucht, die im Ayurveda als Stärkungsmittel für Geist, Psyche und Gehirn bzw. Medhyarasayana bekannt sind. Verwunderlich ist das eigentlich kaum, da ein schwaches Immunsystem (ojas) aus ayurvedischer Sicht immer auch die Psyche in Mitleidenschaft zieht.
Immunsystem und Psyche hängen im Ayurveda zusammen
Immunsystem (ojas) und Psyche (manas) hängen im Ayurveda eng miteinander zusammen. Ein starkes ojas sorgt entsprechend den ayurvedischen Klassikern für geistige Zufriedenheit (sattva), ein vermindertes führt dagegen zu Angst, Schwäche, Sorgen und beeinträchtigter Funktion der Sinnesorgane. Kräuter, die den Aufbau von ojas fördern, stärken also automatisch auch die Psyche.
Da ojas auch als Endprodukt bzw. Essenz der ayurvedischen Gewebeumwandlung gilt, die wiederum von konstitutionsgerechter Ernährung, der Durchlässigkeit aller Leitbahnen, und einem guten Stoffwechsel abhängt, garantieren viele Gewürze mit ihrer Verdauungsfeuer (agni) anregende Wirkung ebenfalls eine optimale Gewebeumwandlung und ojas-Bildung.
Ich möchte Dir hier einige Kräuter vorstellen, die sowohl sehr positive Effekte auf die Psyche als auch auf unser Immunsystem haben. Sie können in kleiner Dosis als Gewürz beim Kochen und in therapeutischer Dosis als Medizin in Form von Tabletten, Pulver, Kräuterwein, Ghee oder Mus verwendet werden.
Echter Sternanis - klassisches Grippemittel
Echter Sternanis (Illicium verum) stammt ursprünglich aus der Traditionellen Chinesischen Medizin (TCM) und liefert mit seinem Inhaltsstoff Shikimisäure auch den Hauptwirkstoff des Grippemittels Tamiflu®. Sternanis hat eine erwärmende Wirkung, lindert Schmerzen und Melancholie und sorgt entsprechend der TCM für den optimalen Fluss der Lebensenergie (Qi). Er hat einen nachweislich antiviralen und antibakteriellen Effekt bei Infektionen der Atemwege, da die im Sternanis enthaltene Shikimisäure die Virusreplikation im Körper verhindert. Der Echte Sternanis darf allerdings nicht mit den sehr ähnlich aussehenden und duftenden Shikimifrüchten des Japanischen Sternanis (Illicium anisatum oder Illicium religiosum) verwechselt werden, die als Räucherwerk verkauft werden und sehr giftig sind.
Süßholzwurzel - mehr als nur Lakritze
Yasthimadhu (Glycyrrhiza glabra) ist vor allem aus der Lakritzherstellung bekannt. Die Wurzel schmeckt von Natur aus süß-erdig, hat eine kühlende, schwere und ölige Qualität, weswegen sie im Ayurveda als nährendes Gehirntonikum und Antidepressivum empfohlen wird. Als eine Art pflanzliches Kortison lindert Süßholz Entzündungen wie Gastritis, Magengeschwüre, Bronchitis und Allergien und ist ein bewährtes Lungenstärkungsmittel. Eine Forschungsstudie der Universität Frankfurt ergab bereits während der SARS-Epidemie 2003, dass Glycyrrhizin die Verbreitung des Coronavirus eindämmt. Eine bisher nicht überprüfte chinesische Studie legt dar, dass der Wirkstoff Liquiritin die rapide Vermehrung der Coronaviren im Körper hemmt.
Im Übermaß kann Süßholzwurzel aufgrund seiner Hormonwirkung (enthält Mineralkortikoide) zu Blutdrucksteigerung, Kopfweh und Ödemen, aber auch zu Erbrechen führen.
Schlafbeere - Tonikum für schwache Nerven
Ashwagandha (Withania somnifera) bedeutet soviel wie „das, was nach Pferd riecht“, was auf die vitalisierende und potenzfördernde Wirkung der bitter-süßen Wurzel hinweist. Die Schlafbeere beruhigt nachhaltig die Nerven und hat schlaffördernde Eigenschaften. Die erwärmende aufbauende Wirkung hilft vor allem bei vāta-Beschwerden wie niedrigem Blutdruck, Ängsten, Nervenschwäche, Abmagerung, gedrückter Stimmung und Schmerzen. Aktuelle wissenschaftliche Forschungen bestätigen die immunfördernde und antivirale Wirkung der Wurzel. In einer aktuellen indischen Studie werden gerade Pippali, Süßholzwurzel, Ashwagandha und Guduchi (Tinospora cordifolia) innerhalb einer ayurvedischen Rezeptur zur Behandlung von COVID-19 erforscht.
Indischer Basilikum - heilige Pflanze des Gottes Vishnu
Tulsi (Ocimum sanctum) ist im Ayurveda für seine stressmindernde, angstlösende und antidepressive Wirkung bekannt, weswegen das Kauen von 10-12 frischen Tulsiblättern pro Tag empfohlen wird. Tulsi hat erhitzende, antimikrobielle, immunstärkende und fiebersenkende Eigenschaften und wird bei Infektionen, Enzündungen und Bronchitis geschätzt. Als traditionelles Heilmittel wird Tulsi zusammen mit Pippali und Süßholz bei Atemwegsinfektionen verwendet. Die Pflanze wird neben Ashwagandha in diversen Studien gerade auf seine antivirale Wirkung im Kontext mit COVID-19 untersucht.
Langer Pfeffer - süßer Pfeffer mit besonderer Wirkung
Pippali (Piper longum) ist ein ayurvedischer Pfeffer mit einer immunmodulierenden Detoxwirkung, weswegen er traditionell in Form einer Treppenkur (langsam ansteigende und dann wieder absteigende Dosis) zur Behandlung von Autoimmunerkrankungen verwendet wird, um körpereigene Toxine (āma) aus dem Körper zu entfernen. Er hat eine antientzündliche und lungenstärkende Wirkung und wird traditionell bei Bronchitis verwendet. Pippali vermehrt sowohl ojas als auch sattva und hat daher psychisch aufhellende Fähigkeiten.
Aufpassen sollte man allerdings, wenn man bereits schulmedizinische Präparate einnimmt, denn Pippali verstärkt die Wirkung von Medikamenten und auch Gewürzen wie ein Katalysator. Außerdem braucht der Einsatz von Pippali Fachwissen, da er sehr vielfältige Eigenschaften und daher auch Nebenwirkungen hat.
Gewürze - so wichtig wie nie
Erschöpfung und Bedrücktheit können immer auch die Langzeitfolge einer viralen Erkrankung und eines geschwächten Immunsystems sein, weswegen eine weitergehende Erforschung von Gewürzwirkungen hier hochspannend ist. Der aktueller Review-Artikel von Srivastava verweist auf weitere Kräuter, deren Erforschung sehr interessant sein könnte: Hollunder, Knoblauch, Ingwer, Betelpfeffer, Neem, Kurkuma, Gewürznelken, Schwarzer Pfeffer, Ginseng, Schwarzkümmel und Chinarinde.
Du brauchst jetzt noch ein paar praktische Tipps?
Kein Problem, lade Dir einfach kostenlos mein aktuelles E-Book runter. Da habe ich Ernährungstipps, Kochrezepte, Gewürzrezepturen und Präparate kompakt für Dich zusammengestellt, die ich in meiner Praxis bei Erschöpfungszuständen empfehle.