Wie gesund sind Grüntee, Schwarztee & Kaffee wirklich?

Immer wieder hört man von den besonders ungesunden aber auch gesunden Qualitäten  von Kaffee oder Tee. Das liegt an den vielen Inhaltstoffen mit ganz unterschiedlichen Wirkungen, die in ihrem Zusammenspiel sehr komplex und zu allem Unglück auch noch gar nicht alle erforscht sind. Hinzu kommt die Komplexität eines jeden Menschen, dessen Psyche und Organismus unterschiedlich auf Tee oder Kaffee reagieren. Kompliziert, ich weiß!

Manche Ayurveda-Gelehrten vertreten die Meinung, dass Kaffeegenuss die Produktion stoffwechseleigener Toxine (ama) hervorrufen würde. Andere Ayurvedakollegen empfehlen einen Espresso nach dem Essen, der das Verdauungsfeuer (agni) anregen soll, um kein ama zu produzieren. Was denn nun? Als Liebhaberin von Espresso, Darjeeling, grünem Sencha und erfrischendem Earl Grey Tee möchte ich mit diesem Beitrag etwas Licht ins Dunkel bringen. Im Ayurveda hört man immer wieder von den vielen Vorzügen von Ingwerwasser, Gewürztee und heißem Wasser – bedeutet das nun im Umkehrschluss, dass Kaffee, Schwarz- und Grüntee ungesund sind?

Die Antwort lautet NEIN! Denn: Im Ayurveda gibt es keine allgemeingültigen Gesundheitsregeln, sondern individuelle Regeln für sehr unterschiedliche Menschen. Orientierungslinie ist hier der Stoffwechsel und die individuelle Konstitution, wovon  alles weitere abhängt. So muss ein Kapha dominanter Mensch aufpassen nicht zu viel Schleim, Schwere und Fettpolster zu entwickeln, ein Pitta dominanter Konstitutionstyp darauf, nicht zu viel Säure, Schärfe und Hitze aufzunehmen und ein Vata-Typ sollte auf Trockenes und Aufputschendes verzichten.

 

Kaffee und seine Wirkung auf unterschiedliche Konstitutionen

Kaffee  sind die getrockneten und gerösteten reifen Samen des Rötegewächs Coffea arabica. Sie enthalten 1 bis 2 Prozent Koffein und Theobromin, die das zentrale Nervensystem, die Ausscheidung und den Bewegungsapparat stimulieren. Während der Fettabbau und die Leistungsfähigkeit gesteigert werden, kann das Nervensystem durch Kaffee empfindlich überreizt werden. Das erhöht dann die Stresshormausschüttung und kann sich in Zittern, erhöhtem Blutdruck, Schlaflosigkeit, Herzrhythmusstörungen, Östrogendysbalancen, Unruhe, verstärkten Depressionen und Angstzuständen zeigen.  

Wie kommt es nun aber, dass wissenschaftliche Studien dem Kaffee eine durchaus gesundheitsförderliche Wirkung attestieren? Er soll nämlich Krebs, Diabetes, Nieren-, Atemwegs-, Verdauungs- und Herz-Kreislauferkrankungen vorbeugen sowie schmerzlindernd und lebensverlängernd wirken. Tja, die Dosis macht das Gift und die Konstitution ist hier der Schlüssel.

Im schwarzen Kaffee oder Espresso finden wir vor allem Koffein, Theobromin, Gerb- und Bitterstoffe, die ihm seine erhitzende, trocknende, anregende und gewichtsreduzierende Wirkung verleihen. Das passt sehr gut für Menschen mit einem erhöhten Kapha, deren langsamer Stoffwechsel und Kreislauf angeregt werden muss.  Wer ein hohes Kapha besitzt, produziert viel Schleim (= altgr. Phlegma), was sich in einer robusten Magenschleimhaut, chronisch verstopften Nasennebenhöhlen oder eben Phlegma bzw. Trägheit zeigen kann.  Eine Tasse heißen schwarzen Kaffees am Morgen nach dem Frühstück in der Kapha-Zeit zwischen 6.00 und 10.00 ist daher für diese Konstitution wunderbar.

Schlecht dagegen ist Kaffee – vor allem schwarz und auf nüchternen Magen - für Menschen mit einem Pitta-Überschuss, die sowieso schon zu Sodbrennen, Hautausschlägen, Gereiztheit und Wut neigen. Der Kaffeegenuss führt hier zwar zur erwünschten Leistungssteigerung, kann als Nebenwirkung jedoch Durchfall, Hitzewallungen, Magengeschwüre, Schwitzen, Entzündungen und Verdauungsprobleme verursachen. Eine mildere weniger saure Bohne (Baristas können hier weitergehend beraten), viel Milch, etwas ayurvedischer Sharkara-Zucker (besonders kühlend und nicht säuernd), Rosinen, Rosenwasser,  Kardamom oder Mastixharz (Bestandteil des türkischen und griechischen Mokkas) im Kaffee können hier entsäuernd wirken.

Ein sehr nervöser Mensch mit einem hohen Anteil an Vata reagiert auf Kaffee oft mit Trockenheitssymptomen, Schlaflosigkeit, Ängsten, Vergesslichkeit, Verwirrung, Herzrasen, Zittern und Unruhe. Hier wäre ein entkoffeinierter, cremiger süßer mit Zimt und Vanille gewürzter Morgenkaffee zum warmen nährenden Brei-Frühstück zu empfehlen. Noch besser wäre allerdings ein Gewürztee oder Getreidekaffee mit warmer Milch (Chai latte) und etwas Süße, um das Vata zu senken.

Und was ist mit dem Verdauungsespresso nach dem Essen? Der sei allen mit einer eher schwachen Verdauung gegönnt, denn er bringt die Verdauungssäfte nach dem Essen noch einmal so richtig in Fahrt.

Tee und seine Wirkung auf unterschiedliche Konstitutionen

Wenn ich hier von Tee spreche, meine ich die Pflanze Camellia sinensis oder Thea sinensis (und ihre Variationen), die wir vor allem als grünen oder schwarzen Tee kennen. Während Schwarztee erhitzend wirkt, kühlt der grüne Tee. Vor diesem Hintergrund ist es logisch, grünen Tee vor allem Menschen mit viel innerer Hitze bzw. einem hohen Pitta zu empfehlen und Schwarztee eher Menschen, die schnell frieren und Durchwärmung benötigen.

Im Gegensatz zum Kaffee mit ca. 100mg Koffein pro Tasse (Filterkaffee) enthält schwarzer Tee nur ca. 40mg und grüner Tee mit ca. 20mg noch weniger Koffein. Eine Ausnahme bildet der japanische Matcha Tee mit sehr viel mehr Koffein, weswegen er auch als Espresso unter den Tees bezeichnet wird.

Schwarzer Tee

Mit Schwarzem Tee sind die vollständig oxidierten Blätter und Stängel der Pflanze Camellia sinensis gemeint. Die unterschiedlichen Sorten ergeben sich aus den Anbaugebieten in Indien, Sri Lanka, Nepal, Japan, Indonesien, China, Afrika, Georgien etc., weswegen der Tee dann zum Beispiel Ceylon-, Darjeeling- oder Assamtee heißt.

Schwarzer Tee in Maßen getrunken regt aufgrund seines Koffeins, seiner sekundären Pflanzenstoffe (Polyphenole, Bitterstoffe etc.), Aminosäuren, Vitamine und Mineralien, Verdauung, Stoffwechsel und Durchblutung an, senkt Cholesterinspiegel und Blutdruck, setzt die Darmbeweglichkeit bei Durchfall herab, hilft bei der Stressbewältigung, verbessert die Gehirnfunktion und beugt Krebs vor.

Aus ayurvedischer Sicht hat Schwarztee die Fähigkeit den Stoffwechsel anzuregen, Stoffwechselzwischenprodukte (Plaques aus Cholesterin und Halbverdautem) und  Schleim zu eliminieren. Er ist daher ein besonders gutes Getränk für Menschen mit einem erhöhten Kapha, die unter Übergewicht, erhöhtem Cholesterin und Arteriosklerose leiden. Schwarzer Tee verhindert eine Verstopfung der Arterien und pflegt die Arterieninnenwände, kann allerdings Wechselwirkungen mit den bei Bluthochdruck verordneten Blutverdünnern haben. Bei einem erhöhten Kapha darf der Schwarztee ruhig etwas kräftiger sein, da die vielen Gerbstoffe im Tee schleimreduzierend wirken.

Schwarzer Tee gleicht maßvoll genossen ein erhöhtes Vata aus, erdet, wärmt und hilft, Stress zu bewältigen. Er stärkt Knochen und Nerven, fördert die Freisetzung von Dopamin, beugt Morbus Parkinson vor und regt die Hirndurchblutung an. Schwarztee stoppt psychogenen Durchfall und hilft dabei, mehr Nährstoffe zu absorbieren. Wer allerdings unter sehr starker Unruhe, trockenen Verdauungsschleimhäuten bzw. Verstopfung leidet, sollte den Tee nur sehr kurz ziehen lassen und ihn nur vormittags trinken.  

Die Tannine des Schwarzen Tees haben eine gute Wirkung auf Entzündungen und Blutungen im Organismus, wie dies oft bei Pitta-Konstitutionen vorkommt. Da Schwarztee im Übermaß aber eine erhitzende Wirkung hat, sollte er lieber gegen Grüntee ausgetauscht werden. Bei Blutarmut (Eisenmangel), die wir häufiger bei Pitta-Störungen finden, sind Gerbstoffdrogen wie Schwarztee generell nicht empfehlenswert, da sie die Aufnahme von Eisen erschweren.

Grüner Tee

Mit grünem Tee sind die unfermentierten (nicht oxidierten) Teeblätter oder -stängel der Teepflanze Camellia sinensis gemeint, die den aufgebrühten Tee grasgrün bis gelblich leuchten lassen. Sie enthalten dieselben wertvollen Inhaltsstoffe wie der schwarze Tee und darüber hinaus auch noch den sekundären Pflanzenstoff Epigallocatechingallat (EGCG), der als äußerst starker Zellschutz bei degenerativen Gehirnerkrankungen, Krebs, Autoimmun- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen gilt.

In Japan stellte sich in einer Langzeitstudie mit mehr als 40 000 gesunden Personen im Alter von 40 bis 79 Personen heraus, dass 5 Tassen grünen Tees pro Tag die Lebenserwartung stark erhöhten. Unabhängig von Studien und Inhaltsstoffen ist grüner Tee aus ayurvedischer Sicht vor allem für Menschen mit einem erhöhten Pitta- und auch Kapha-dosha hilfreich. Das bedeutet, dass Du grünen Tee trinken solltest, wenn Du zu Entzündungen neigst und unter Stoffwechselentgleisungen wie Adipositas, Diabetes, und Arteriosklerose leidest.

Der herbe, bittere Geschmack und die kühlende, trockene Eigenschaft des Grüntees ist für Pitta-Menschen empfehlenswert, weil er ganz wunderbar Entzündungen an Gelenken, Augen, Haut- und Schleimhäuten sowie Bluthochdruck vorbeugt. Er ist ein phantastischer Zellschutz, schützt unsere Haut vor UV-Strahlung und gegen  vorzeitige Alterung.  Grüntee kann auch gekühlt mit Kardamom oder als Cold brew (loser Grüntee mit zimmerwarmem Wasser für ½ bis mehrere Stunden ansetzen) serviert werden.

Kapha-Konstitutionen neigen häufig zu Hirnnebel, Übergewicht, erhöhtem Cholesterin und Diabetes, die man mit Grüntee behandeln kann. Während das Koffein alleine schon wacher und klarer macht, wirkt es zusammen mit Theobromin energiesteigernd, stoffwechselanregend und fettverbrennend. Die Bitterstoffe und sekundären Pflanzenstoffe reduzieren den Appetit auf Süßes, das EGCG hält den Blutzuckerspiegel auf einem niedrigen Niveau und die zahlreichen Antioxidantien können Plaqueablagerungen in den Arterien verhindern.

Menschen mit einem erhöhten Vata können zu koffeinärmeren Sorten wie Bancha oder Hojicha Grüntee greifen und diese mit Milch, Zucker und wärmenden Gewürze wie Ingwer oder Zimt trinken.

Es gibt keine gesunden und ungesunden Nahrungsmittel

Vermeintlich Ungesundes kann für manche Menschen durchaus gesund sein. Das wurde mir klar, als ich erlebte, wie ein sehr erfahrener Ayurvedaarzt einer Frau mit einer rheumatischen Gelenkserkrankung erklärte, warum sie soviel Schwarztee mit Zucker und Gummibärchen zu sich nahm. Der bittere, adstringierende und süße Geschmack würde eine antientzündliche bzw. eine Anti-Pitta-Wirkung entfalten, die ihr gut tue. Die in den Gummibärchen enthaltene Gelantine, die als Nahrungsmittel zwar ethisch nicht korrekt ist, gilt medizinisch und ayurvedisch gesehen aber als knochen- und gelenksstärkend.

Wie interessant, dass dieser Arzt nicht gleich die Hände über dem Kopf zusammenschlug und ihr einen langen Vortrag über gesunde Ernährung hielt. Er erkannte die intuitive Intelligenz zur Selbstheilung, die jeder Mensch besitzt und konnte der Frau dann noch ein paar weitere Alternativen nennen. Genauso verstehe ich auch meine Arbeit als Ayurvedamedizinerin: Jede*r muss hier den eigenen genussvollen Weg zu mehr Wohlgefühl und Gesundheit beschreiten. Und wenn wir uns ganz ehrlich selbst befragen, wissen wir schon selbst, ob uns Kaffee oder Tee gerade wirklich gut tun.

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